Die Polizei arbeitet derzeit an einer Neuorganisation der Reviere Rellingen, Pinneberg und Wedel. Davon betroffen ist auch die Polizeistation Bönningstedt an der Kieler Straße. Viele Bürger und Gemeindevertreter vor Ort, auch in Ellerbek und Hasloh, fühlen sich überrumpelt und sorgen sich um die Sicherheit in ihrem Umfeld. Sie wollen deshalb am 23. März gegen die geplanten Maßnahmen demonstrieren.
Das ist geplant: Die Polizeireviere Pinneberg und Rellingen fusionieren; sie liegen nur 3,8 Kilometer auseinander. Es sollen jedoch keine Standorte geschlossen werden. Die Einsatzpolizei zieht von Rellingen nach Pinneberg. Jeder Einsatzort im Einzugsgebiet soll wie bisher innerhalb von 10 Minuten zu erreichen sein. Am Standort Rellingen werden Ermittlungsaufgaben gebündelt und ein Brennpunktdienst etabliert. In der Bönningstedter Polizeistation sollen künftig weniger Beamte vor Ort sein und die Öffnungszeiten reduziert werden. In allen drei betroffenen Revieren arbeiten knapp 200 Polizistinnen und Polizisten.
Im Rahmen eines Hintergrundgesprächs mit Pressevertretern am 13. Februar stellten der stellvertretende Behördenleiter Sven Adomat und der Projektverantwortliche Helge Hammermeister der Polizeidirektion Bad Segeberg, die auch für den Kreis Pinneberg zuständig ist, das bereits seit Ende 2021 laufende Umstrukturierungsprojekt „OHR“ (Organisation der Polizeireviere im Hamburger Rand) ausführlich vor.
Neue Strukturen für flexibleren Personaleinsatz
„OHR“ setzt darauf, die internen Aufgabenbereiche neu zu strukturieren. Redundanzen im Innendienst und Doppelführungsstrukturen in den Revieren sollen ohne Leistungseinbußen abgebaut werden. Das freigesetzte Personal soll an allen Standorten flexibler und zielgerichteter für andere Aufgaben eingesetzt werden – um neue schutzpolizeiliche Strukturen (Brennpunktdienste) zu schaffen und um eine schnelle Reaktionsfähigkeit in den Bereichen Gefahrenabwehr und Strafverfolgung zu erreichen. „Rund um die Uhr werden mehr Streifenwagen auf der Straße sein“, betont Adomat. Eine Arbeitsgruppe aus Mitarbeitenden aller drei Reviere habe diese Lösungsvorschläge erarbeitet.
Neue Anforderungen an die Kriminalitätsbekämpfung
„Die Kriminalität hat sich verändert, daher müssen wir uns anders aufstellen“, bringt Adomat die Ausgangslage des Projekts auf den Punkt. Hammermeister ergänzt: Vor allem die Kriminalität im Bereich der Wohnungseigentumsdelikte sei gewachsen. Auch Taschendiebstähle vor Verbrauchermärkten hätten sich seit Corona erheblich gesteigert. Die schleswig-holsteinischen Gemeinden mit hohen Einkommensstrukturen seien durch die Nähe zu Hamburg und den gut ausgebauten ÖPNV für Kriminelle sehr attraktiv. „Wir haben es häufig mit überregional agierenden Tätern und Gruppierungen zu tun“, sagt Adomat und folgert: „Wir müssen hochmobil und flexibel sein“. Der neue Ansatz: „Durch die Brennpunktdienste wollen wir strukturiert schon vor den Tätern da sein und schnell zugreifen können.“
Polizeistation Bönningstedt: Weniger Personal und reduzierte Öffnungszeiten
Die Polizistinnen und Polizisten in Bönningstedt sollen weiterhin anfallende Ermittlungen im dortigen Zuständigkeitsbereich erledigen, erklärt Hammermeister. Auch ein Polizeifahrzeug bleibe weiterhin in Bönningstedt verfügbar. Die Bürgerpräsenz sei sichergestellt. Allerdings werden die bisherigen sieben Stellen auf vier reduziert. Hammermeister betont: „Wir rechnen mit realen Arbeitszeiten.“ Die Personenzahl sage wenig aus, weil es auch Teilzeitstellen gebe. Während die Wache in Rellingen weiterhin täglich 24 Stunden besetzt sein soll, werden Öffnungszeiten in Bönningstedt „angepasst an die örtlichen Gegebenheiten – von montags bis freitags soll die Station circa 45 Stunden geöffnet sein. Zum Vergleich: Derzeit können Bürgerinnen und Bürger wochentags von 7 bis 19 Uhr mit ihrem Anliegen auf die Wache gehen. Das sind 60 Stunden Öffnungszeit.
Mehr Polizeipräsenz auf der Straße
Die Beamten rechnen damit, dass künftig etwa die doppelte Anzahl von Streifen unterwegs sein wird – auch in Bönningstedt, Ellerbek und Hasloh werde es weiterhin Streifenfahrten geben.
Zudem soll die Einsatzpräsenz verstärkt werden. Dabei werden die 110-Einsätze weiterhin von der Leitstelle in Elmshorn aus koordiniert. Die Streifenwagen fahren nicht aus Pinneberg zu einem Einsatzort, sondern jeweils das Fahrzeug mit dem kürzesten Anfahrtsweg. So könne durchaus ein Fahrzeug auf der Straße schneller am Einsatzort sein als Beamte einer fußläufig nahegelegenen Dienststelle, die erst ihren Arbeitsplatz verlassen und sich anziehen müssten, erklärt Hammermeister.
Ursprünglich war die Umsetzung der Umstrukturierungsmaßnahmen zum 1. April geplant, Inzwischen setzen die Verantwortlichen darauf, dies zum 1. August oder 1. Oktober vollziehen zu können, weil es zu den Daten erfahrungsgemäß immer große Personalwechsel gebe. Aber: „Sorgfalt vor Eile“, so Adomat.
Mangelhafte Kommunikationspolitik der Polizei erhitzt die Gemüter
Ende November 2022 hatte sich der Bericht in einer Tageszeitung über die geplanten Umstrukturierungen in Windeseile verbreitet und großen Wirbel verursacht. Denn: In den Gemeinden lagen bis dahin keine Informationen vor (das DorfGeflüster berichtete). Auf der Pressekonferenz sagt Hammermeister, es sei eine strukturierte Kommunikation geplant gewesen, aber durch die Berichterstattung überholt worden. Die Rede ist auch von „Unwahrheiten, die verbreitet wurden, um Menschen gegen das Konzept aufzubringen“. Adomat unterstreicht, dass man im Januar die Kommunalpolitik angesprochen habe: „Die meist hauptamtlichen Bürgermeister haben das zur Kenntnis genommen und vertrauen darauf, dass wir ein besseres Ergebnis erzielen als bisher“. Und die ehrenamtlichen Bürgermeister in Bönningstedt, Ellerbek und Hasloh? Sie hätten über die jeweiligen Amtsdirektoren Kenntnis von der Umstrukturierung erhalten. Günther Hildebrand (FDP), ehrenamtlicher Bürgermeister der Gemeinde Ellerbek und gleichzeitig Amtsvorsteher des Amtes Pinnau widerspricht dieser Darstellung. Auch Kay Löhr (Hasloh gestalten), Bürgermeister in Hasloh kritisiert, dass mit ihm keinerlei Gespräche geführt worden seien: „Es ist eine unglückliche Situation, Informationen sind ganz spärlich geflossen. Wir werden jetzt vor vollendete Tatsachen gestellt.“ Rolf Lammert (CDU), Bürgermeister in Bönningstedt sagt, dass er als einziger Bürgermeister der drei Gemeinden (Bönningstedt, Ellerbek und Hasloh) am 20. Januar 2023 zu einem Gespräch in die Rellinger Polizeistation geladen wurde und erstmals von Helge Hammermeister offiziell über die Umstrukturierung informiert wurde.
Hammermeister räumt ein, „jetzt steht ein Unsicherheitsgefühl im Raum“. Aber. „Wir machen es besser als vorher!“ Und er verspricht: „Wenn wir feststellen, dass wir bei der Einsatzzeit schlechter werden, müssen wir nachbessern“.
Widerstand gegen die Maßnahmen in Bönningstedt, Ellerbek und Hasloh – Demonstration am 23. März um 15 Uhr geplant
Die Bürgerinnen und Bürger in Bönningstedt, Ellerbek und Hasloh sorgen sich angesichts der geplanten Maßnahmen stark um Prävention und Sicherheit in ihren Orten. Am Donnerstag, 23. März, wollen sie gegen die Maßnahmen und für mehr Transparenz und Bürgernähe auf die Straße gehen. Die Demonstration findet von 15 bis 16 Uhr vor der Polizeistation, Kieler Straße 103, statt. Veranstalterin und verantwortliche Leiterin dieser Demonstration ist Eva Maria Eckmann aus Ellerbek, die von Danuta Szczesniewski unterstützt wird. Mit an Bord werden Vertreterinnen und Vertreter aller drei Gemeinden sein. Die Veranstalter hoffen auf rege Teilnahme.
Kommentar
Polizeistation Bönningstedt: Bleibt die Bürgernähe erhalten?
Umstrukturierung, Change Management, mehr Effizienz – Schlagworte, die man aus der Wirtschaft kennt. Die Menschen stehen dabei selten im Fokus. Jetzt strukturiert die Polizei im Kreis um. Das vorgestellte Konzept „OHR“ erscheint schlüssig und nachvollziehbar. Geht es doch um die Verbesserung der objektiven Sicherheit, die uns Bürgern dann auch mehr subjektive Sicherheit gibt, wir uns also in unserem Umfeld sicher(er) fühlen. Unter den Polizistinnen und Polizisten in den betroffenen Revieren dürfte es befürwortende wie ablehnende Haltung geben. Nicht selten lösen Veränderungen Ängste und Abwehrreaktionen aus. Was polizeiintern in der Kommunikation falsch gelaufen sein mag, dass zu einem frühen Zeitpunkt angeblich „Unwahrheiten“ in die Medien kolportiert wurden, sollte intern aufgeklärt werden. Was die Bürgerinnen und Bürger und die Gemeinden betrifft, offenbaren sich erhebliche Mängel in der Kommunikationspolitik der Verantwortlichen. Die Bevölkerung, so scheint es, wird vor vollendete Tatsachen gestellt. Derart gravierende Veränderungen, die die einzelnen Gemeinden betreffen – auch wenn sie am Ende positiv sein sollten –, aus der Presse zu erfahren, ist nicht hinnehmbar. Der erste Pressebericht im November löste große Empörung aus, und die geplanten Veränderungen in der Polizeistation Bönningstedt verunsichern seitdem viele Menschen in der Umgebung. Das hat dazu geführt, dass die Gemeinden alle Hebel in Bewegung gesetzt haben – bis in die schleswig-holsteinischen Landesministerien hinein –, um mehr Informationen zu erhalten. Erst in dem Pressehintergrundgespräch am 13. Februar, also rund ein Vierteljahr nach der ersten Berichterstattung, standen die Verantwortlichen Rede und Antwort, um den anwesenden Medienvertreterinnen und -vertreter die Umstrukturierung detailliert zu erklären. Manche aus Bürgersicht kritischen Punkte – wie sie an die Dorfgeflüster-Redaktion herangetragen wurden – konnten die Beamten auflösen.
Dennoch: Für die Gemeinden und die Bürger, die auf die Präsenz und Arbeit der Polizeistation Bönningstedt zählen, bleiben zahlreiche Fragen offen. Gerade auf dem Land kennen viele „ihre Polizisten“. Wird es auch künftig noch bekannte, feste Ansprechpersonen in der Bönningstedter Station geben? Bleibt die Bürgernähe über persönliche Kontakte erhalten? Etwa wie es Kontaktbereichsbeamte in Berlin oder Bürgernahe Beamte in Hamburg leisten. Wird der Personaleinsatz so gesteuert, dass in Bönningstedt weiterhin genügend Beamtinnen und Beamte vor Ort sind? Welche Auswirkungen hat die neue polizeiliche Struktur, wenn die Gemeinden perspektivisch weiter wachsen? Und bleibt die Wache langfristig erhalten oder kündigt sich mit der Personalreduzierung bereits eine spätere Schließung an?
Die Bürgerinnen und Bürger in unseren Gemeinden vertrauen weitgehend auf ihre Polizei. Sie haben eine transparente Informationspolitik verdient und vor allem Maßnahmen, die keine möglichen versteckten Leistungsreduzierungen beinhalten, sondern wirklich das sind, was die Polizei verspricht: Verbesserungen der objektiven Sicherheit – die auch eine stärkere subjektive Sicherheit erzeugen sollen. tk