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Lokaltermin mit Dr. Eckhard Johannes

Dr. Eckhard Johannes

Dr. Eckhard Johannes

„Wie man lebt hat nichts damit zu tun, was man zu geben bereit ist“

Viele Ortsansässige kennen Dr. Eckhard Johannes als Vorstandsmitglied des Seniorenbeirats und als engagierter Mitstreiter beim Freiwilligenforum. Aber er macht sich auch im Förderverein für die 260 männlichen Bewohner des Hamburger Obdachlosenwohnheimes „Pik as“ stark. Dort verteilt er jeweils einmal in der Woche warme Mahlzeiten und wird mit viel menschlichem Elend konfrontiert. Sein Zuhause mit dem akkurat gepflegten Garten in Bönningstedt ist für ihn vielleicht auch deshalb eine Oase der Entspannung. Hier trifft ihn das Dorf-Geflüster zum Lokaltermin.

Dorf-Geflüster: Herr Dr. Johannes, bei all Ihrem ehrenamtlichen Engagement fällt Ihre Arbeit für das Obdachlosenwohnheim „Pik As“ doch aus dem Rahmen. Wie sind Sie dazu gekommen?

Dr. Eckhard Johannes: Nach meiner Pensionierung – ich arbeitete bis 2007 als Kardiologe mit eigener Praxis in Hamburg –  fuhr ich den so genannten Mitternachtsbus, ein Projekt der Diakonie Hamburg. Ehrenamtliche bringen mit diesem Fahrzeug Decken, warme Kleidung Brot und Brötchen zu den Schlafplätzen von Wohnungslosen. Ich leistete auch ärztliche Hilfe für diese Menschen im Rahmen einer Sprechstunde in der Tagesaufenthaltsstelle der Diakonie an der Bundesstraße. Danach auch im Pavillon vor „Pik As“ Dann bin ich Mitglied des Fördervereins für das Pik-As-Wohnheim geworden. Außerdem teile ich einmal die Woche warmes Essen an die Männer aus. Leider dürfen wir aus rechtlichen Gründen nicht selber kochen, sondern nur Speisen aufwärmen. 130 bis 170 Portionen Essen geben wir aus. Neulich gab es Gulaschsuppe…

Dorf-Geflüster: Das machen Sie schon sehr lange. Nicht viele Helfer können das Elend dieser Männer auf Dauer ertragen.

Dr. Eckhard Johannes: Ich bin seit Geburt im christlichen Glauben verwurzelt. Mein Vater war Pfarrer im Hunsrück. Ich bin nun 72 Jahre alt. Die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg ist für mich ein sehr bewusster Lebensabschnitt. Nach 1945 bis weit in die 50er Jahre hinein gab es viele so genannte Tippelbrüder, die an unsere Tür geklopft haben, um Hilfe und Lebensmittel zu erhalten. Das hat mich geprägt. Ich habe einen Bezug zu jenen, die es nicht so gut getroffen haben. Wie man lebt hat nichts damit zu tun, was man zu geben bereit ist.

Dorf-Geflüster: Helfen Sie nur im Stillen oder trauen Sie sich, Ungerechtigkeiten öffentlich zu machen?

Dr. Eckhard Johannes: Seit 1981 bin ich Mitglied im Kirchengemeinderat. Als die ersten Asylbewerber zu uns nach Bönningstedt kamen, gab es hier tatsächlich Leute, die haben einer mehrköpfigen Familie ein kleines Zimmer teuer vermietet. Da habe ich mich eingemischt. Ich kann schon unbequem werden, wenn es sein muss!

Dorf-Geflüster: Als Seniorenbeiratsvorstand haben Sie es hier im Ort mit älteren Menschen zu tun, die es zumeist relativ gut getroffen haben. Künftig wird es vielleicht Bönningstedter geben, deren Rente kaum zum Leben ausreichen wird. Was raten Sie?

Dr. Eckhard Johannes: Man muss sich seine Lebensgestaltung gut überlegen und der Individualvorsorge einen höheren Stellenwert einräumen. Sich immer wieder in jungen Jahren zu sagen, ‚ach, das hat noch Zeit‘ ist trügerisch. Es ereilt einen doch schneller als man denkt.

Dorf-Geflüster: Was wünschen Sie sich für Bönningstedt?

Dr. Eckhard Johannes: Der Jugend sollte mehr geboten werden. Vereine und Verbände zeigen gute Ansätze, das offene Prinzip müsste jedoch koordiniert werden. Am besten von sozialpädagogischen Fachkräften, die die Gemeinde anstellen sollte. Das ist sinnvoll ausgegebenes Geld. Andere Kommunen sind da schon viel weiter als wir hier in Bönningstedt. Die Jugend ist aber unsere Zukunft. Aber derzeit fehlt der Gemeinde die konzeptionelle, bezahlbare Linie. Man will viel auf den Weg bringen, weiß aber nicht, wie man es richtig anpacken soll.

Dorf-Geflüster: Vielen Dank für dieses Gespräch.

Das Interview führte Michelle Kossel.

Photo (C) Michelle Kossel

 [Übernahme aus Dorf-Geflüster Magazin]

 

 

 

 

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